Brexit schmälert Attraktivität der City of London

Brexit schmälert Attraktivität der City of London

 

Die Börse London droht ihren Status als allererste Adresse unter den Finanzplätzen zu verlieren. Zu diesem Ergebnis kommen die jüngsten Benchmarking-Daten der City of London Corporation. Die Gebietskörperschaft des Börsendistrikts in der britischen Hauptstadt bewertet seit drei Jahren die Wettbewerbsfähigkeit der wichtigsten Finanzzentren anhand von 95 Kriterien.

 

 

 

Nach den jüngsten Erhebungen liegen nun London und New York gleichauf an der Spitze der weltweiten Finanzzentren. Damit ist 2022 das erste Jahr, in dem London nicht mehr die alleinige Pole Position innehat. Zugleich konnten auch andere Finanzplätze wie Frankfurt und Paris ihre Attraktivität schneller steigern als London.

 

In der Untersuchung erhielt London eine Gesamtbewertung der Wettbewerbsfähigkeit von 60 Punkten nach 59 Punkten im Vorjahr. New York konnte aufgrund seines hohen Wachstums bei Tech-Investitionen und der Emission nachhaltiger Finanzprodukte die Bewertung um zwei Punkte verbessern und mit London gleichziehen. Singapur belegte mit 51 Punkten den dritten Platz, während Frankfurt 46, Paris 43 und Tokio 35 Punkte erhielten.

 

Brexit-Effekte sind der wahrscheinliche Hauptgrund für diese Entwicklung. Finanzexperten warnen bereits seit Jahren, dass Unternehmen nach dem britischen Abschied von der Europäischen Union ihre Aktivitäten in die EU verlagern würden und London deshalb seinen Platz als Spitzenfinanzzentrum verlieren könnte. So hat Amsterdam inzwischen London als das in Europa führende Zentrum für den Aktienhandel abgelöst. Zwei Entscheidungen aus der jüngsten Vergangenheit belegen, dass die Börse London an Attraktivität eingebüßt hat. Der irische Baustoffkonzern CRH entschied sich bei seinem Erstlisting für New York und der britische Chipdesigner ARM plant sein IPO in New York und nicht wie ursprünglich vorgesehen in London.

 

Ein zunehmender Bedeutungsverlust hätte gravierende Auswirkungen. Die Finanzindustrie ist einer der wichtigsten Pfeiler für die Volkswirtschaft in Großbritannien. Dem Bericht der City of London Corporation zufolge erwirtschaftete der britische Sektor der Finanz- und Unternehmensdienstleistungen 2022 mit 64 Milliarden Pfund den größten Handelsüberschuss aller Länder.

 

Sehr gut schneidet London weiter ab bei Faktoren wie Innovation, Reichweite der Finanzaktivitäten, Widerstandsfähigkeit und Unternehmensinfrastruktur, ebenso bei der Regulierung. Ein Schlüsselfaktor für die Zukunft der City ist, dass Großbritannien weiterhin internationale Talente anzieht. Ausländische Mitarbeiter stellen rund 40 Prozent der Beschäftigten in der City.

 

Gegensteuern will die britische Regierung mit einer Reform für Banken und Finanzdienstleister. Dazu zählt eine Lockerung der Kapitalanforderungen für kleinere Geldhäuser. Auch das Regelwerk, das von Banken verlangt, ihre Privatkundengeschäfte mit einem Kapitalpolster abzusichern, um Einlagen zu schützen, soll überarbeitet werden. Des Weiteren sollen Institute entlastet werden, die auf das Geschäft mit Privatkunden ausgerichtet sind.

 

In der Summe dürften viele der geplanten Änderungen vor allem den kleineren Banken zugutekommen. Damit will die britische Regierung auch den Wettbewerb in dem von Großbanken wie HSBC, Barclays, Lloyds und NatWest dominierten Sektor fördern. Die Regierung will außerdem die aus der EU stammenden Anforderungen an den Aktien- und Anleihehandel überprüfen, welche als „MiFID II“ bekannt sind. Der Londoner Börsenbetreiber LSEG selbst passt sein Geschäftsmodell an neuen Wachstumsmärkte an. Ähnlich wie es etwa auch die Deutsche Börse verfolgt, setzt auch die LSEG verstärkt auf Datenservices wie die Analyse von Finanzdaten für Banken, Vermögensverwaltungen und Finanzdienstleister.

 

Quellen: Finews, Börsenzeitung 22.10.2021, Handelsblatt 2.3.2023